Modul 6
Männergesundheit
Das Thema Männergesundheit rückt nach langer Zeit der Nichtbeachtung zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus. Nachdem 2010 der 1. Männergesundheitsbericht noch von der Stiftung Männergesundheit herausgegeben wurde, erfasste 2014 das Robert Koch Institut erstmals „die Gesundheitliche Lage von Männern in Deutschland“ im Rahmen der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“. Mittlerweile gibt es in Berlin von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung organisierte Männergesundheitskongresse, einen ebenfalls von der Bundeszentrale herausgegebenen Newsletter sowie Tagungen und Vorträge zum Thema. Doch auch wenn dieser Trend recht positiv wirkt, gehört Männergesundheit abseits von Fachveranstaltungen im Bewusstsein von Männern noch nicht zum Mainstream.
Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als „vollständiges, körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden“1und geht damit über die rein körperliche Ebene und über „die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen“2 hinaus. In einer mehrstufigen Befragung von Experten nach modifizierter Delphi Methode wurde 2015 eine Definition speziell für die Gesundheit von Männern entwickelt; demnach gilt Gesundheit als physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden und beinhaltet die Balance von Risiko- und Schutzfaktoren.3Die Autoren D. Bardehle, M. Dinges und A. White betonen dabei, dass diese Faktoren bei Männern abhängig von sozialen Einflussfaktoren wie Bildung, Herkunft und beruflicher Stellung besonders stark variieren.
Oder einfacher ausgedrückt: „Männlichkeit ist eine hochriskante Lebensform“4, was die folgenden Zahlen deutlich machen: die männliche Lebenserwartung liegt bei Männern knapp 5 Jahre unter der von Frauen. Männer sterben 4 mal häufiger an tödlichen Verkehrsunfällen, verursachen 3 mal häufiger unter Alkoholeinfluss Verkehrsunfälle mit Personenschaden, sie erleiden 90% aller tödlichen Arbeitsunfälle und sterben 3 mal häufiger an Lungenkrebs. Auch Aidserkrankte sind zu 80% Männer. Die Suizidrate bei Männern ist 3 mal höher, dabei sind 65 bis 90% aller Suizide durch Depressionen bedingt, obwohl Frauen wesentlich häufiger als depressiv diagnostiziert werden. Männer neigen dazu, die eigene Gesundheit zu überschätzen, gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen und zeigen riskantere Verhaltenstendenzen. Letztlich stellen Männer über zwei Drittel der Alkohol- und Drogenabhängigen und über 80% der Alkhol- und Drogentoten.5
Diese Zahlen werfen die Frage nach den Ursachen auf. Stress (berufliche oder sozial), Risikoverhalten (bei Arbeit, Sport, Konsum oder Sexualität), mangelnde soziale Unterstützung und mangelndes selbstsorgendes Verhalten im Umgang mit Beschwerden sind immer wieder zentrale Faktoren. Körperliche oder psychische Beschwerden werden oft als Schwäche (und damit als unmännlich) definiert und lassen sich mit dem Männerideal des starken, leistungsfähigen Mannes nicht in Einklang bringen.
Das Verbessern der Sensibilität für die eigene Befindlichkeit, das Erarbeiten (und Nutzen) von gesundheitlichen Ressourcen und eines Verantwortungsbewusstseins für die eigene Gesundheit müssen hierbei das therapeutische Ziel sein. In Gruppensituationen ist zu beachten, dass alle Suchterkrankten an einer schweren Krankheit leiden, die häufig zum Tode führt. Die Gesundheitskonzepte der einzelnen Gruppenteilnehmer sind oft durch sehr individuelle Erfahrungen geprägt und können stark voneinander abweichen. Ein gesundheitsorientierter Ansatz bei dem die Krankheit nicht im Fokus steht kann dabei helfen hilfreiche individuelle, aber auch gemeinsame Ressourcen zu erarbeiten.
Verweise
1 | H. Bertelsmann, Einführung in die Gesundheitswissenschaften, 1. Studientext. Universität Bielefeld 2006.
2 | Ebd.
3 | Vgl. D. Bardehle, M. Dinges, A. White, Was ist Männergesundheit? Eine Definition. Stuttgart; New York 2015.
4 |W. Hollstein, Männlichkeit ist eine hochriskante Lebensform in Dr. med. Mabuse, Zeitschrift im Gesundheitswesen, Ausgabe 125. S. 30-34
5 | Vgl. H. Stöver, A. Vosshagen, P. Bockholdt, F. Schulte-Derne, Männlichkeiten und Sucht - Handbuch für die Praxis, Hrsg.: Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Münster 2017. S. 116