Modul 3
Beziehung zum Vater
Ein Schritt zurück zu den eigenen männlichen Wurzeln: inwieweit war der Vater Vorbild für die eigene Männlichkeit? Was verbindet der Klient mit seinem Vater, sind diese Assoziationen eher positiv oder negativ geprägt? Die Gefühle zum eigenen Vater sind bei Suchtkranken häufig von unerfüllter Sehnsucht und damit verbundener Trauer geprägt. Kognitiv geht es um die emotionale Annäherung an einen Elternteil, der als primäres Rollenmodell die eigene Persönlichkeitsentwicklung entscheidend beeinflusst hat - sei es durch Präsenz oder Abwesenheit.
Während der Stellenwert des Vaters in der Erziehung für das Kind grundsätzlich auf einer Stufe mit dem der Mutter steht, so spielen doch andere Schwerpunkte in der Vater-Kind-Beziehung eine Rolle1. Der Vater ist vor allem bei Jungen nicht nur Elternteil, sondern männliche Bezugsperson, Vorbild und Identifikationsfigur. So richtet sich das eigene Geschlechts- und Rollenverständnis entscheidend nach dem, was der Vater vorlebt; Männer, die ihren Vater als problematisch erlebt haben, projizieren dieses Bild oft auch auf sich selbst. Die Verfehlungen des direkten Rollenvorbildes werden somit oft nicht als individuelle Fehler eines Einzelnen betrachtet, sondern auf das Mannsein an sich projiziert. Einerseits kann dies dazu führen, dass Männer, die die Beziehung zu ihren eigenen Vätern als negativ erlebt haben, dazu tendieren, sich mehr mit ihren 5- und 9-jährigen Kindern zu beschäftigen2, also bemüht sind, selbst ein positiveres Vaterbild zu bieten. Auf der Kehrseite kann das Suchtverhalten des Vaters jedoch auch zu einer zur fehlgedeuteten Normalität verklärt werden, was die Sucht als unausweichliches Schicksal erscheinen lässt.
Familiäre Bindung und Familienklima gelten als ausschlaggebende Faktoren für die Resilienz von Kindern. „Im Spiel zeigten sicher gebundene Kinder häufiger Personenbezüge mit konstruktiven Lösungswegen für Konflikt- und Problemthemen. In realen sozialen Situationen waren sicher gebundene Kinder in der Lage, Konflikte konstruktiv zu lösen, reagierten mit mehr Empathie […]"3. Die Familie kann in diesem Kontext jedoch nicht nur Schutz- sondern auch Risikofaktor sein und besonders Suchterkrankungen stellen eine starke Belastung für das familiäre Zusammenleben und damit auch die Erziehung dar. Bei Alkoholikern zeigt sich nicht nur eine dreimal höhere „broken home“- Situation, sondern auch eine hochsignifikant erhöhte Abwesenheit des Vaters. Alkoholikerväter zeigen außerdem ein geringeres Maß an familiärer Zuwendung. Das Trinken als ohnehin männlich konnotierte Verhaltensweise wird häufig vom direkten Rollenmodell übernommen. Etwa ein Drittel der Alkoholiker hatten selbst einen alkoholabhängigen Vater4, was für eome generationsübergreifende Abhängigkeitsentwicklung spricht5.
Thematisch übergeordnetes Ziel ist in diesem Themenfeld die Akzeptanz von Ähnlichkeiten, von unerfüllten Wünschen und - falls nötig und möglich - eine Aussöhnung mit dem Vater. Häufig ist dieses Thema mit tiefgehenden und oftmals verdrängten Emotionen verbunden, sodass ein grundlegendes Verständnis für den Vater zunächst erarbeitet werden muss. Die Aufarbeitung und Reflexion dieser Beziehung ist ein wichtiger Grundstein für nachhaltige Abstinenz.
Verweise
1 | W. E. Fthenakis, B. Minsel, Die Rolle des Vaters in der Familie, Hrsg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Stuttgart; Berlin; Köln; 2002.
2 | Vgl. ebd. S. 275
3 | J. Bengel, F. Meinders-Lücking, N. Rottmann, Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen: Stand der Forschung zu Spsychosozialen Schutzfaktoren für Gesundheit, Hrsg.: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Köln 2009, S. 90
4 | A. Vosshagen, Geschlechtsspezifische Aspekte der Alkoholabhängigkeit bei Männern. Dissertation. Essen 1997.
5 | D. Hell, Ryffel, Vatermangel - ein Aspekt bei chronischen Alkoholikern in Drogalkohol, Ausgabe 10. Lausanne 1986, S. 101 - 120